Die Frage nach den meistgelesenen Bonapart-Themen des Jahres 2017 ist keine geringere als die Frage nach der Zukunft der Binnenschifffahrt: Wo wirkt sich die Digitalisierung auf Geschäftsmodelle oder die Sicherheit aus, welche Gefahren bergen neue Kraftstoffe oder der Infrastrukturverfall, welche Chancen und Nachteile bringt die europaweite Vereinheitlichung von Schifffahrtsgesetzen mit sich, wo ist legale wie illegale Geldmacherei aufgefallen – und wie gehen die Betroffenen damit um? Eine chronologische Rückschau.
Manche Themen waren sehr rechercheintensiv, forderten neue Wege ein und kosteten viel Arbeitszeit. Einige gingen auf dankbar aufgenommene Hinweise aus der Leserschaft zurück, andere entsprangen relevanten Pressemitteilungen der verschiedenen Organisationen. Die Zugriffsstatistiken zeigen, dass es sich journalistisch lohnt, hinter die Dinge zu blicken, gewissenhaft zu arbeiten, den Kontakt mit Leserinnen und Lesern zu pflegen, ein Gespür für deren Bedürfnisse zu entwickeln und die Sachlichkeit in der öffentlichen Diskussion zu wahren.
All das ist aus zeitlichen wie wirtschaftlichen Gründen nicht immer leicht: Auch in diesem Jahr sind auch mal Sachverhalte durcheinander geraden, das habe ich nach Bekanntwerden des Fehlers im jeweiligen Text gerade gerückt und in der Kommentarspalte kenntlich gemacht. Auch sind einige spannende Themen unter den Tisch gefallen. Manche davon haben die Tagespresse oder andere Fachmedien aufgegriffen. Sofern öffentlich zugänglich, hat Bonapart diese Themen in der Presseschau abgebildet, die via Facebook abonniert werden kann.
In anderen Fällen gilt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das Bonapart-Team freut sich auch 2018 auf ausführliche Hintergrundgespräche oder kurze Hinweise, die allesamt vertraulich behandelt werden. Möglichkeiten zu Anmerkungen und Ergänzungen bietet wie immer die Kommentarfunktion unter dem Artikel. Nun zu den Top Ten – ein Klick auf die Überschrift führt direkt zum jeweiligen Artikel:
Autofähre und Fahrgastschiff: Neubau „Mary Roos“ wartet auf Wasser
„Mary Roos“ ist keine normale Autofähre. Doch dass allein die innovative Zulassung zum Fahrgastschiff für hohe Leserzahlen ab dem 20. Januar verantwortlich war, darf bezweifelt werden. Zumal die große Mittelrhein-Fähre und schwimmende Event-Plattform anders als die elektrisch betriebene „Sankta Maria II“ mit einem konventionellen Antrieb aufwartet. Der Name eines deutschen Schlager-Stars zog über Suchmaschinen und soziale Netzwerke allerdings auch schifffahrtsfremde Leser an. Kleine Botschaft am Rande: Für die Öffentlichkeitsarbeit der Binnenschifffahrt braucht es mehr prominente Paten.
Videos entfernt: Wie gefährlich ist LNG?
Im Rennen um den Kraftstoff der Zukunft steht Liquified Natural Gas (LNG) neben Gas-to-Liquid (GTL), Autogas (LPG) oder Wasserstoff weiterhin in der ersten Reihe, im Hafen Köln Niehl ist bereits die erste deutsche LNG-Schiffstankstelle projektiert.
Doch das tiefkalt verflüssigte Erdgas birgt neben den Klimaauswirkungen des Methanschlupfs auch Gefahren, die manch einer nicht näher betrachten möchte: Ein unkontrollierter LNG-Austritt mitten in einer deutschen Großstadt oder in einem engen Flusstal könnte katastrophale Folgen haben. Warum der Worst Case ab dem 27. März ein Thema auf Bonapart war, erklärt ein separater Kommentar aus der Serie „Standpunkt“.
Mensch vor Maschine: Unhaltbare Zustände an der Ruhrschleuse Duisburg?
Jahrzehntelang galt in deutschen Schleusen: Erst wenn alle Schiffe fest sind, geht es rauf oder runter. Natürlich aus Sicherheitsgründen. Plötzlich sollen jedoch Sicherheitsgründe dafür sprechen, die Nischenpoller in der Ruhrschleuse nicht mehr zu nutzen – oder gar zu entfernen? Am 18. April hat Bonapart das Thema von mehreren Seiten beleuchtet.
Seit Mitte Dezember zeigt sich das aufgrund von Ingenieurmangel entstandene Sanierungsstau-Symptom auch in den Schleusen des Wesel-Datteln-Kanals. Infrastruktur gilt auch anderenorts als kritisches Thema: Nicht in die Top-Ten geschafft hat es die von vielen Schiffern als mangelhaft empfundene Autosteiger-Situation entlang des Rheins, an der auch eine neue Anlage in Köln nichts änderte.
Robert Straubhaar: „Das Amazon-Prinzip in der Binnenschifffahrt verwirklichen“
Erfolgreiche Geschäftsmodelle aus dem Online-Versandhandel in die bei manchen als altmodisch verrufene Binnenschifffahrt übertragen? Das ist die Vision von Robert Straubhaar. Mit seinem Unternehmen River Advice und der Übernahme der Köln-Düsseldorfer gehört er bereits zu den Großen in der Hotel- und Fahrgastschifffahrt. Modulare Dienstleistungangebote für Schiffstechnik, Nautik, Administration, Personal oder Finanzierung – das muss es nicht nur für die weiße Flotte geben. „Egal welches Schiff man betreibt: Viele Sektoren überschneiden sich einfach – da macht es Sinn, Erfahrungen und Kompetenzen zu bündeln“, resümierte Straubhaar im Interview Ende April.
TMS „Elly“: Bunkerschiff statt Tankwagen im Hafen Mukran
Wohin mit den Einhüllentankern? Auch die Verlegung des Tankmotorschiffes „Elly“ in den Hafen Mukran von Ende Mai ist ein Thema des Geschäftsmodells: Als Bunkerschiff für seegehende Frachter setzen die Betreiber auf eine Sondergenehmigung über 2018 hinaus, da das Hafenbecken im Havariefall als zweite Hülle dient. Der Einsatz als Bunkerschiff in einem streng begrenzten Einsatzbereich stellt eine Nische dar, von denen es allerdings nicht all zu viele geben dürfte.
Simulatorprüfung statt Schifferpatent? EU will Berufsqualifikationen vereinheitlichen
Selten hat ein Thema für so viel Aufregung in den sozialen Netzwerken gesorgt wie die Berufsqualifikation. Sei es der Meistertitel oder das Unionsbefähigungszeugnis: Unter den in Deutschland ausgebildeten Binnenschiffern befürchten doch einige, die europaweite Vereinheitlichung könnte das fachliche Know-How auf dem Wasser zu Lasten von Lohnniveau und Sicherheit nach unten drücken. Auf Bonapart war das Vorhaben der Europäischen Union ab dem 26. Mai nachzulesen.
Falsche Werkstattrechnungen: Staatsanwaltschaft ermittelt im WSA Duisburg-Meiderich
Ende April drangen erste Gerüchte an die Ohren der Bonapart-Redaktion, dass im WSA Duisburg-Meiderich mehrere hunderttausend Euro hinterzogen worden seien. Doch dem Thema ohne konkrete Anhaltspunkte nachzugehen, war schwierig. Weitere Details kamen im Juli und konnten erhärtet werden, Bonapart schickte eine Anfrage an die Pressestelle der Staatsanwaltschaft Duisburg. Treffer. Das Gerücht entpuppte sich als größtenteils zutreffend.
Anhand dieser belastbaren Informationen landete Bonapart am 8. August einen auch außerhalb der Branche relevanten Scoop, der bereits einen Tag später von der WAZ aufgegriffen wurde. Leider verhielt sich der Redakteur zwar gesetzeskonform, aber nicht sehr kollegial: Er hatte auf Bonapart recherchiert, seine Quelle aber nicht genannt, da er die Informationen erneut bei der Staatsanwaltschaft anfragte.
Tankschifffahrt auf dem Rhein muss künftig elektronisch melden
Keine große Leistung aus der Bonapart-Redaktion, aber für viele Leser relevant: Die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt hat verfügt, die elektronische Meldepflicht ab dem 1. Dezember 2018 auf die Tankschifffahrt auszuweiten. Nachzulesen in einer kurzen Meldung vom 12. Oktober.
Großkraftwerk Mannheim und de Korte planen Gemeinschaftsunternehmen
Stimmen die Zahlen des Mannheimer Morgen, verfeuert das Großkraftwerk Mannheim täglich rund 8.000 Tonnen Steinkohle. Das ist genug, um ein eigenes Unternehmen mit den Transporten zu betrauen. Nach dem Hinweis eines Lesers fragte Bonapart beim Bundeskartellamt an – und bekam am 13. November die Bestätigung, dass das GKM und die niederländische Firma de Korte die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens planen.
Petition: Niederländische Binnenschiffer protestieren gegen hohe Bußgelder
Einige beschweren sich hinter vorgehaltener Hand über die Strafzettel-Praxis, andere machen es mit einem offiziellen und medienwirksamen Protest: Eine Petition gegen hohe Bußgelder haben niederländische Binnenschiffer am 5. Dezember im Parlament in Den Haag eingereicht. Der Titel: „Stoppt die Jagd auf Binnenschiffer“ brachte über 2.000 Unterschriften zusammen.
Deutsche Kollegen reagierten verwundert – konnten sie den Ärger über hohe Bußgelder zwar nachvollziehen, nicht aber den angekreideten Mangel an Liegeplätzen in den Niederlanden. Man darf gespannt sein, ob und wann deutsche Binnenschiffer zu ähnlichen Mitteln greifen.
Die meistgelesenen Artikel 2016 gibt es hier. Auch im kommenden Jahr halten wir Sie mit unserem kostenlosen Newsletter regelmäßig auf dem Laufenden.
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