Standpunkt: Ramsauers rote Bilanz

Standpunkt: Ramsauers rote Bilanz

Wenn Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer im Wahljahr 2013 Bilanz der Verkehrspolitik dieser Legislaturperiode zieht, erkennt man an vielen Stellen Rot. Die hohen Erwartungen, mit denen seine Amtsübernahme durch das Verkehrsgewerbe begleitet wurde, sind insgesamt nicht erfüllt worden.

Noch zu Beginn seiner Amtszeit lobte sich Ramsauer im Bundestag selbst für die strikte Einhaltung seines wegen Konjunkturprogrammen auf elf Milliarden Euro angewachsenen Etats. Seine Ankündigung, den Etat auf diesem Niveau weiterzufahren, wurde von Finanzminister Schäuble kurzerhand kassiert und Ramsauer landete wieder bei zehn Milliarden Euro.

Dabei ergaben sich im Haushalt durch sinkende Ausgaben für Arbeitslosengeld Finanzspielräume, die man in die Aufstockung des Infrastrukturetats hätte stecken können. Das Geld wurde jedoch lieber für andere soziale Beglückungen ausgegeben – offensichtlich fehlte dem konfliktscheuen Verkehrsminister der Mut und die Erkenntnis, sich massiv dafür einzusetzen.

Die Wasserstraße als Hauptleidtragender

Stattdessen suchte er sein Heil in der Einrichtung getrennter Finanzierungskreisläufe für Straße, Schiene und Wasserstraße und zusätzlichen Finanzbeiträgen der Infrastrukturnutzer. Nutznießer dieser Politik war die Straße, denn die Quersubventionierung von Investitionen bei Schienen und Wasserstraßen aus der Lkw-Maut wurde aufgegeben. Für die Schiene konnte Ramsauer bei Schäuble zusätzliche Mittel lockermachen.

Hauptleidtragender dieses finanzpolitischen Verschiebebahnhofs war eindeutig der Bereich Wasserstraße. Denn hier fehlten nicht nur die Finanzbeiträge aus der Lkw-Maut, sondern auch die Neubaumittel für Investitionen im Zuge der Umsetzung des ‚Projektes 17 Deutsche Einheit‘, mit dem Bau neuer Schleusen im Mittellandkanal und eines neuen Schiffshebewerkes in Niederfinow. Diese Mittel wurden seit Jahren durch Streichung von Mitteln für den Unterhalt der teilweise mehr als 100 Jahre alten Wasserbauwerke freigemacht.

Die von Ramsauer 2012 verkündete Lösung des Problems durch Verstärkung der Nutzerfinanzierung mit Einführung von Wasserstraßenabgaben auf den abgabefreien internationalen Flüssen Rhein, Elbe und Oder erwies sich rasch als Holzweg, da eine Zustimmung der anderen Anliegerstaaten illusorisch war. Auch die im Zuge der Reform der Bundesgebührenordnung geplante Anhebung der Kanalabgaben zeigte sich als risikobehaftet: Da Verkehrsverlagerungen von der Wasserstraße auf die Straße in Größenordnungen nicht auszuschließen sind, wurde das Vorhaben zunächst mal auf die lange Bank geschoben.

Prioritätsprinzip ausgehebelt

Als Ausweg aus dem Finanzierungsdilemma fiel der Fachabteilung des Bundesverkehrsministeriums die Einführung der Priorisierung der Wasserstraßen im Zuge der WSV-Reform ein. Durch eine Aufteilung des Wasserstraßennetzes in viel befahrene (Kategorie A), häufiger befahrene (Kategorie B) und weniger befahrene Wasserstraßen (Kategorie C) sollten die knappen Finanzmittel vor allen Dingen für Instandhaltung und Ausbau in der Klasse A verwandt werden, in Klasse B sollte bestenfalls noch Instandhaltung stattfinden.

Gleichzeitig wurde verkündet, dass der Ausbau der zweiten Moselschleusen (Kategorie A) wegen knapper Haushaltsmittel gestoppt sei, aber der Ausbau des Stichkanals von Salzgitter zum Mittellandkanal (Kategorie C) finanziert werde. Dem ersten ‚Sündenfall‘ gegen das selbst erfundene Prioritätsprinzip folgte mit Verteilung der im Herbst 2012 vom Bundestag beschlossenen zusätzlichen Haushaltsmittel von 140 Millionen Euro für 2013 und die folgenden Jahre gleich der zweite: Zwar wird mit den Mitteln nunmehr der Bau der zweiten Schleuse Trier (Kategorie A) begonnen, weitere Mittel sollen in die Anpassung der Mittelweser (Kategorie B) oder die Planungen für eine neue Schleuse am Elbe-Seitenkanal (Kategorie A) und für Ersatzbauwerke an der Havel-Oder-Wasserstraßen (Kategorie C) fließen.

Selbstverständlich sind alle hier aufgelisteten Baumaßnahmen notwendig. Das Nachprüfen des Entscheidungsrasters soll nur noch einmal verdeutlichen, dass die Priorisierung zu keinem geänderten Investitionsverhalten führt, sondern die Mittel nach wie vor dahin fließen, wo am lautesten geschrien wird oder am meisten Druck aus der verladenen Wirtschaft erfolgt.

Fragwürdige Binnenhafenkategorisierung

Nach dem ‚Erfolg‘ bei der Priorisierung der Wasserstraßen soll nunmehr auch die Förderung der Binnenhäfen nach einem vergleichbaren Raster erfolgen. Hierzu hat Minister Ramsauer bei einem erst jüngst durch zweifelhafte wissenschaftliche Leistung bei der Beurteilung der Saale-Kanalisierung aufgefallenen Forschungsinstitut ein ‚Gutachten‘ mit vorgegebenem Ergebnisraster bestellt: Unter dem Titel „Gutachten zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Binnenhäfen“ werden die deutschen Binnenhäfen ausschließlich nach ihrer Eignung als Hinterland-Hub für den kombinierten Verkehr beurteilt und in die schon aus den Wasserstraßen bekannten Kategorien A, B und C aufgeteilt.

Wer Maßnahmen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Binnenhäfen in dem Gutachten sucht, liest es vergeblich. Es wird jedoch deutlich, dass künftig Häfen, die durch das gnadenlose ABC-Raster gefallen sind, nicht mehr mit Förderung rechnen können. Darunter fallen z. B. Häfen wie Saarlouis und Trier, die für die regionale Wirtschaft bedeutende Standortsicherungsfunktionen haben. So liegt der Hafen Saarlouis zunächst mit seinem Umschlagvolumen von rund drei Millionen Tonnen auf Platz zwölf in der Rangfolge vorne, wird aber dann wegen des fehlenden Containerumschlags sowie nicht nachvollziehbarer Defizite abgewertet und taucht zum Schluss nicht einmal in der Kategorie „geringe Bedeutung für den Binnenschiffsverkehr“ auf.

WSV-Reform mit mangelnder Abstimmung

Als ‚Rohrkrepierer‘ wird sich im Wahljahr auch die mit großem Brimborium angekündigte WSV Reform erweisen. Das von der BMV-Führungscrew selbst gestrickte Konzept wurde weder mit den Bundesländern, den WSD-Präsidenten noch mit dem Personalrat abgestimmt.

Nach heftiger Kritik seitens der Bundesländer hat Ramsauer Anfang Februar den Entwurf eines Gesetzes zur Übertragung der Zuständigkeiten der regional angesiedelten Direktionen auf die neue „Generaldirektion für Wasserstraßen und Schifffahrt“ in Bonn zurückgezogen. Stattdessen will Ramsauer seine Pläne nun an Bundestag und Bundesrat vorbei per Organisationserlass durchsetzen – ein Plan, der im Wahljahr höchstes Konfliktpotential birgt. Die Farbe Rot zieht sich durch die verkehrspolitische Bilanz von Peter Ramsauer: Angesichts der Zornesröte in den Gesichtern vieler Betroffener stünde ihm selbst gut Schamesröte.

Der Autor Hans-Wilhelm Dünner ist Herausgeber und Chefredakteur des Fachmagazins Schiffahrt Hafen Bahn und Technik. Der Text erschien erstmalig als Editorial der Ausgabe 2/2013.

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