Michael Putzschke über die Arbeit der „Waldhof“-Untersuchungskommission

Michael Putzschke über die Arbeit der „Waldhof“-Untersuchungskommission

Am 31. Januar 2011 hat das Bundesverkehrsministerium der WSD Südwest nach internen Abstimmungen den Auftrag erteilt, Ursachen und Ablauf der „Waldhof“-Havarie auf den Grund zu gehen. Im Bonapart-Interview spricht Michael Putzschke, Leiter der Unfalluntersuchungskommission, über deren Arbeit, gesetzliche Grundlagen und die Verantwortlichkeit des Schiffsführers.

Das komplexe Schadensszenario, die völlig unbekannte Havarieursache und die bereits kurz nach dem Unglück zu erwartenden langfristigen Bergungsmaßnahmen veranlassten die WSV, eigene Untersuchungen anzustellen, schrieb Putzschke bereits zur Veröffentlichung der Zwischenbilanz.

Die in Anlehnung an die Bestimmungen des Seesicherheits-Untersuchungs-Gesetzes durchgeführten Untersuchungen sollten nicht wie die strafrechtlichen Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Wasserschutzpolizei die Verantwortlichkeiten klären, sondern einen fachlich fundierten Beitrag zur Aufklärung und zur zukünftigen Verhütung ähnlicher Unfälle leisten. So galt es auch, die Zusammenarbeit der für die Sicherheit auf dem Rhein verantwortlichen Behörden zu stärken und – soweit möglich – Sicherheitsempfehlungen zu erstellen und.

Herr Putzschke, Wie viel Zeit hat die Expertengruppe in die Ermittlungen gesteckt?

Eine Schätzung ist über den Zeitraum von zwei Jahren nicht annähernd möglich. Weder die Kollegen noch ich haben Zeitaufschreibungen vorgenommen.

Wo lagen die größten Hindernisse für die Arbeit der Kommission?

Alle Mitglieder der Kommission waren nicht von ihren eigentlichen Aufgaben freigestellt. Wir haben diese Unfalluntersuchung zwar mit der notwendigen Priorität, jedoch neben unseren originären Aufgaben erledigt. Das war nicht immer leicht. Zudem hat das Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die Unfalluntersuchung im Binnenbereich die Arbeit im Ergebnis zwar nicht vereitelt oder wesentlich behindert, jedoch wäre vieles wahrscheinlich einfacher und klarer gewesen.

Wie kooperativ haben sich Staatsanwaltschaft, anderen involvierte Behörden und Unternehmen verhalten?

Die Zusammenarbeit bestand in einem Austausch von Informationen, Gutachten und Stellungnahmen. Sie hat sehr gut und kooperativ funktioniert.

Dennoch hatte die Kommission keinen Zugriff auf die Stahlbleche der Backbordkimm von Ballasttank 5, in denen sich Löcher befanden. Warum nicht?

Die entsprechenden Stahlbleche waren auf der Werft in den Niederlanden nicht mehr auffindbar. Das war bedauerlich, aber nicht entscheidend für die Klärung der Ursache des Kenterns.

d.Red.: Laut Abschlussbericht sprechen mehrere Indizien für ein Entstehen der Löcher erst nach dem Kentern.

In welchen Bereichen hat Ihre Expertengruppe von den Fähigkeiten anderer Behörden und Unternehmen besonders profitiert?

Zum einen waren dies die eingeholten Fachexpertisen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt über High-Jet-Ventile. Vor allem aber die komplexen Berechnungen der Firma FutureShip in Hamburg. Ansonsten hat die Kommission mit Vertretern der Bundesanstalt für Wasserbau, der Bundesanstalt für Materialforschung und Prüfung, der Fachstelle der WSV für Verkehrstechniken und weiterer WSV-Experten über ausreichend Fachwissen verfügt.

Braucht es künftig eine gesetzliche Grundlage zur Untersuchung von Havarien in der Binnenschifffahrt?

Diese grundsätzliche Frage kann ich nicht beantworten. Die Entscheidung, ob generell eine amtliche Unfalluntersuchung erforderlich ist, muss vom Verordnungsgeber – dem BMVBS – oder vom Bundesgesetzgeber getroffen werden. Das ist auch abhängig von Anzahl, Intensität und Folgen der Binnenschiffsunfälle.

Zum Abschluss noch eine Frage zum Thema Ladungsrechner an Bord, auch wenn das nicht direkt mit der Arbeit der Kommission zu tun hat. Selbstverständlich müssten die Schiffer selbst größtes Interesse an der Sicherheit Ihres Fahrzeugs haben. Auf der anderen Seite werden Arbeitsbelastung und Kenntnisspektrum an Bord etwa durch AIS, ECDIS, ECO-Zahlungssystem oder Entladebescheinigungen immer größer, die Branche muss sich einer größer werdenden Personalknappheit und damit auch der Frage nach der Qualifikation zukünftiger Bewerber stellen. Wäre es angesichts dessen nicht möglich oder sinnvoll, die Ladungsrechner-Nutzungspflicht an einen landseitigen Posten, etwa an den Verlader, zu delegieren?

Verantwortlich für Schiff, Ladung und Stabilität ist und bleibt der Schiffsführer. Diese Verantwortung lässt sich aus vielen Gründen nicht an Land verlagern. Allerdings sollten auch beispielsweise die Disponenten der Reedereien entsprechende Kenntnisse über Schiffssicherheit, Schwimmstabilität und Ladungsrechner haben. So können sie zum einen die Schiffsführer sach- und fachgerecht von Land aus unterstützen. Zum anderen können sie von vornherein korrekte Dispositionen über Schiff und Ladung im Sinne des ADN treffen.

Herr Putzschke, vielen Dank für das Gespräch.

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