Landstromversorgung für die Flusskreuzfahrt im Gespräch

Landstromversorgung für die Flusskreuzfahrt im Gespräch

Anwohner wollen emissionsarme Schiffe, Städte das Geld der Flusstouristen. Reeder wollen günstigen Strom, Energieversorger Investitionen, die sich amortisieren. Besatzungen wollen einfache Handgriffe, Reisende schöne Liegeplätze. Alle wollen Sicherheit. So ließe sich das Spannungsfeld zusammenfassen, das die Workshop-Teilnehmer am 11. Juni in Duisburg diskutierten.

Knapp 40 Vertreter von Schifffahrtsunternehmen, Kommunen, Häfen, Energieversorgern und Technikanbietern waren der Einladung des Vereins für europäische Binnenschifffahrt und Wasserstraßen (VBW) gefolgt. Die Ergebnisse des Dialogs will der VBW in einer Arbeitsgruppe auswerten und Empfehlung für einen technischen und betrieblichen Standard für Landstromsysteme entsprechend den Bedürfnissen der „weißen Flotte“ erarbeiten. „Ziel ist es, planenden Kommunen eine Orientierung zu bieten und eine vernünftige Grundlage für Schifffahrt und Infrastrukturbetreiber zu schaffen“, erklärte Michael Heinz von der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, gleichzeitig Vorsitzender des VBW-Fachausschusses Binnenwasserstraßen und Häfen.

Wachsender Bedarf

Dass Landanschlüsse weniger lokale Emissionen verursachen als die Stromerzeugung an Bord, sehen die Kommunen darin eine Maßnahme, die Stickoxid-Belastung in ihren Umweltzonen zu senken. Dies insbesondere vor dem Hintergrund des Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU wegen Nichteinhaltung der Stickoxid-Messwerte.

Doch technisch ist es mit „einfachen“ Strom-Säulen wie an Schleusen oder Liegeplätzen für die „schwarze“ Schifffahrt ist es nicht getan. Zwei mal 400-Ampere-Anschlüsse nach dem weit verbreiteten Powerlock-Standard, wie ihn etwa die Würzburger Stadtwerke nutzen und vertreiben, stellen keine Maximalforderung dar. Die Reeder sehen darin eine technisch umsetzbare, praxisnahe Lösung.

Thomas Bogler, Geschäftsführer von Viking Technical, zeigte sich nicht überzeugt, dass diese Leistung auch in Zukunft ausreiche: Seit dem Jahr 2000 habe sich der Strombedarf eines Schiffes verdoppelt. Andere warfen ein, dass der steigenden Zahl der Stromverbraucher auch zahlreiche Energieeinsparmaßnahmen wie etwa LED-Beleuchtung gegenüberstehen.

Die kommunalen Energieversorger mahnten an, dass die benötigte Leistung je nach Qualität der lokalen Netze nicht oder nur zu hohen Kosten zur Verfügung gestellt werden kann. Schifffahrtsunternehmer dagegen forderten ein stärkeres Engagement der öffentlichen Hand und wünschten sich eine Marktöffnung, um den Stromanbieter wechseln zu können.

Wohin geht die Reise?

Klärungsbedarf herrscht unter anderem in der Frage nach dem land- und schiffsseitigen Bedarf. So habe sich etwa Mannheim für den doppelten 400-A-Powerlock-Anschluss entschieden, wie Gerhard Gerber, Leiter des Arbeitsgebiets Elektrotechnik vom Hafen Mannheim beschrieb. Diese würden die Besatzungen mancher Neubauten etwa mit einen bordseitig vorhanden Powerlock-Anschluss sowie drei 125-A-CEE-Anschlüssen verbinden. „Für letztere ist wiederum ein Adapter nötig, der ohne zusätzliche Maßnahmen die Sicherheit für die Besatzung beeinträchtigt“, so Gerber.

Zudem müsse klar sein, wer welche Kabeltypen und -längen vorhalten müsse. Gerber unterstrich zudem, dass die schwere, gelbe Gummischlauchleitung des Typs NSSHÖU aufgrund ihrer Belastbarkeit besser geeignet sei, als der ebenfalls häufig verwendete Kabeltyp H07RN-F. So schreibe die Hafenordnung neben der Anschlusspflicht auch die Verwendung dieses Kabels vor. Dies könne im Einzelfall aber nicht überprüft werden.

Christoph Kreuzinger, der das von den Würzburger Stadtwerken entwickelte Landstrom-Anschluss- und Abrechnungssystem vorstellte, stimmte Gerber zu und ergänzte: „Zu lange Kabel werden oft entlang der Kaimauer ausgelegt – ein zusätzliches Gefahrenpotenzial auch für Passanten.“ Die Schiffsoperateure hielten dagegen: Man könne nicht jede nötige Kabellänge für alle Terminals zwischen Amsterdam und Wien mitführen – die Häfen müssten als Dienstleister die passenden Längen vorhalten.

Standardisierung nötig

Rein landseitige Probleme gibt es bei der Errichtung der Infrastruktur: So dränge etwa eine Gemeinde auf die Ausstattung eines Steigers mit Landstromanschluss, die Bewohner protestierten jedoch gegen das zu errichtende Trafohäuschen. Auch die Stadt Frankfurt wolle keine Aufbauten oder zusätzliche Pontons. Die Unterflurverlegung sei dagegen deutlich kostenintensiver.

So wurden auch rein bordseitige Lösungen angesprochen: Feinstaubfilter für Aggregate ließen die Schiffe über die gesamte Saison auch in Fahrt sauberer werden; Motorenlärm sei ohnehin nicht das Problem: „Die großen Klimaanlagen sind doch inzwischen lauter“, so ein Teilnehmer. Bogler verriet, dass Viking derzeit auch an einem LNG-Stromerzeuger-Ponton als Alternative arbeite.

Einig sind sich Schiffsoperateure und Infrastrukturbetreiber darin, dass es zukünftig einen Standard für Landstromsysteme geben müsse, der sowohl die technische als auch die betriebliche Seite umfasst. Eine EU-Norm für Landstromanschlüsse und –kästen befinde sich zurzeit in der Erarbeitung, werde aber noch auf sich warten lassen. Ein Problem: Keine Norm dürfe einen bestimmten Hersteller bevorzugen – und das verbreitete Powerlock-System ist nun einmal patentiert. Ebenso gelte es, den Hochwasserschutz, ein möglichst einheitliches Bezahlsystem und leicht verständliche Handhabung sicherzustellen.

Einen ausführlichen Bericht lesen Sie in der kommenden Ausgabe 6/2015 von Schiffahrt und Technik.

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