Autofähre und Fahrgastschiff: Neubau „Mary Roos“ wartet auf Wasser

Autofähre und Fahrgastschiff: Neubau „Mary Roos“ wartet auf Wasser

Fertig zur Erprobungsfahrt liegt die neue Fähre der Bingen-Rüdesheimer auf der Helling in Mondorf. Doch Vater Rhein duckt sich noch zu tief in sein Bett, als dass sich die Lady zu ihm gesellen könnte. So nutzten die Mitglieder des Deutschen Fährverbands (DFV) am 10. Januar die Gunst der Stunde, den besonderen Neubau von allen Seiten zu betrachten.

Fahrgastschiffe hat die Lux-Werft schon einige gebaut. So eines aber noch nicht: Die 330 Tonnen schwere Autofähre soll auch für die Fahrt entlang des Flusses mit bis zu 600 Passagieren zugelassen werden. „Wir wollen mit der Zeit gehen und das Schiff für Eventfahrten verchartern können“, erklärt Oliver Pohl, Vorstandsmitglied der genossenschaftlichen Fähr- und Schifffahrtsgesellschaft. „Erste Anfragen liegen bereits vor.“

Schwimmende Eventplattform

Mit Currywurst- und Bierwagen an Deck habe man schon Erfahrungen gemacht. Allerdings nur, wenn die Fähre an der Rampe vertäut ist. Bei vier Fahrspuren wäre nun beispielsweise ein schwimmender Weihnachtsmarkt denkbar. „Was ist mit Riesenrad auf dem Deck?“, fragt einer. „Oder einem Autoscooter?“ Die Fährleute haben Spaß. Obwohl manchen der Rheinpegel gerade das Leben schwer macht: Einige haben bereits Zwangspause oder mussten auf kleinere Fahrzeuge umsteigen.

Thema Tiefgang: 1,25 Meter sollen es bei der neuen Fähre maximal sein. Leer 95 Zentimeter. Die Tragfähigkeit beträgt 200 Tonnen, auf dem Deck finden bis zu 42 Autos Platz. Das sind die gleichen Daten wie bei der 2008 in Dienst gestellten „Rheintal“, die jedoch von den Außenmaßen etwas anders dimensioniert ist: „Mary Roos“ misst 17,30 Meter in der Breite, der Rumpf ist 57,10 Meter lang, über die Rampen sind es 62 Meter. Die Vorgängerin ist zehn Tonnen leichter.

Doppelt abgesichert

„Wir haben die Erfahrungen vom Bau der ,Rheintal‘ in dieses Schiff mit einfließen lassen“, erklärt Werftchef Elmar Miebach, dessen Familie ebenfalls Fähren betreibt. Beispielsweise wird die Rampe nun am Schwerpunkt gehoben, was die Lager weniger beanspruchen soll. Die Rampenhydraulik ist jeweils doppelt vorhanden. „Das wichtigste Element einer Fähre darf nicht ausfallen“, so Miebach. Wo möglich, habe man auf Leichtbau gesetzt.

Änderungen gibt es auch im Maschinenraum. Während die „Rheintal“ noch mit vier 180-Kilowatt-MAN-Maschinen ausgerüstet ist, nutzt „Mary Roos“ zwei Volvo Penta Dieselmotoren mit jeweils 280 Kilowatt Leistung. Sie treiben über ZF-Getriebe und je drei Gelenkwellen zwei Voith-Schneider-Propeller (VSP 12) an, die ebenfalls größer ausfallen als bei der Schwesterfähre (VSP 10).

Die Propeller werden frei angeströmt. Sie sind mit einem Stoßbügel zur Außenbordseite hin geschützt; bei der „Rheintal“ rotieren die Flügel in einer Art Käfig. Die runde Kimm des Rumpfes ist seiner Drehbewegung im Fährbetrieb geschuldet. Mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit habe keine Möglichkeit bestanden, das Schiff noch größer zu bauen. „Der Bahnübergang auf Rüdesheimer Seite schränkt die Kapazität sehr ein“, erläutert Pohl.

Keine Experimente beim Antrieb

Während Norweger, Finnen und nun auch Moselländer bereits für kleinere und größere Fährstrecken auf den Elektroantrieb setzen, ist Pohl anderer Meinung: „Bei drei bis fünf Minuten Überfahrt macht der Elektroantrieb keinen Sinn.“ Für längere Event-Fahrten eignet sich der E-Antrieb definitiv noch nicht. Ebenso habe man Gasantrieb, Brennstoffzelle, diesel-elektrischen Antriebsstrang sowie Abgasnachbehandlung durchgerechnet und wieder verworfen. Kein Thema sei die Kraftstoff-Wasser-Emulsionseinspritzung gewesen, ergänzt Miebach auf Nachfrage.

Blick in Fahrtrichtung

Um die Zulassung als Fahrgastschiff zu bekommen, waren andere Vorschriften zu berücksichtigen. Das beinhaltet die Zahl der Rettungsmittel, die Blaue Tafel, Anker, Brandklasse, Rumpfaufbau und größere Toilettenanlagen. Zudem bestand die Schiffsuntersuchungskommission auf einen drehbaren Steuerstuhl, damit der Schiffsführer in Fahrtrichtung sitzen kann. Dass Radar und Wendeanzeiger dann querab liegen, wundert manche.

„Hätte man nicht gleich das ganze Ruderhaus drehbar gestalten können?“, fragt einer der Fährleute. Weniger ernsthaft ein anderer Vorschlag: „Oder man fährt einfach quer. Dann ist das Schiff sogar unter 25 Meter lang.“ Gelächter. Die Schiffstaufe ist auf den 3. März angesetzt. Taufpatin wird die 1949 geborene Schlagersängerin Mary Roos, die aus Bingen stammt. Über den Preis der Fähre will Pohl keine Auskunft geben.

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