Standpunkt: Die Realitäten der Elbe anerkennen

Standpunkt: Die Realitäten der Elbe anerkennen

Während die Wirtschaft entlang der Elbe für die Verlagerung von Containern auf die Wasserstraße wirbt, ist das BUND-Elbeprojekt überzeugt: Das Unterhaltungsziel von 1,60 Metern an 345 Tagen im Jahr ist aufgrund zurückgehender Abflussmengen nicht zu halten. Dadurch sei selbst die vorhandene Infrastruktur gefärdet. Ein Gastkommentar von Dr. Ernst Paul Dörfler.

An allen 365 Tagen des Jahres 2014 führte die Mittel- und Oberelbe nach der amtlichen Statistik Niedrigwasser. So nimmt es nicht Wunder, dass die Transporte im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent auf 0,4 Millionen Tonnen im Jahr eingebrochen sind. Das sind nur 1,6 Promille jener Gütermengen, die in der Bundesrepublik insgesamt auf allen Wasserstraßen transportiert werden.

Schaut man sich die letzten einhundert Jahre an, so muss man auf der Elbe einen Rückgang der Verkehre um 98 Prozent auf 2 Prozent konstatieren. Der Trend ist eindeutig, stetig und signifikant – er weist nach unten. Alle seit 1992 vorgelegten Transportprognosen wurden für die Elbe fundamental verfehlt.

Veraltete Bezugszahlen

Die Kammerunion Elbe/Oder sieht nun einen drohenden „Verkehrsinfarkt“, wenn die Elbe als Wasserstraße ausfällt und fordert deshalb eine gesicherte Fahrrinnentiefe der Elbe von 1,60 Metern an 345 Tagen im Jahr. Es ist nachvollziehbar, dass die Schifffahrt eine verlässliche Tiefe benötigt, um nach Fahrplan fahren zu können. Das Ziel einer Fahrrinnentiefe von 1,60 Metern an 345 Tagen im Jahr zwischen Dresden und Hamburg wurde seit 1992 verfolgt.

Bei der Zielfestlegung hat man sich auf den damals gültigen Bezugswasserstand aus dem Zeitraum von 1973 bis 1986 gestützt. Das waren noch wasserreiche Zeiten! Wenn es diese Wasserstände und Abflussmengen aktuell noch gäbe, dann hätten wir die 1,60 Meter Fahrrinnentiefe in der Elbe. Doch in der neuen Realität kann für die Elbe nur noch eine Tiefe von 1,20 bis 1,30 Meter gewährleistet werden, wie schon das Bundesverkehrsministerium bei der Elbekonferenz in März 2013 in Magdeburg öffentlich bekannt gab.

Zu wenig Wasser

Das Problem der mangelhaften Befahrbarkeit der Elbe besteht nicht etwa in unzureichenden Baumaßnahmen, sondern in den veränderten Abflussverhältnissen. Limitierend sind nicht die sogenannte Reststrecken oder Engpässe. Die Elbe ist durch ihre Wasserknappheit auf ihrer ganzen Länge ein Engpass geworden. Sie führt seit 25 Jahren definitiv weniger Wasser – es fehlt fast ein halber Meter! Und diese fehlenden Wassermengen können weder herbeigebaut noch herbeigebaggert werden, wie das Bundesverkehrsministerium schon mehrfach dargelegt hat.

Jetzt zügige „Sanierungsmaßnahmen“ im Zuge des Gesamtkonzeptes einzufordern, geht an der Realität vorbei. Das Unterhaltungsziel von 1,60 Meter kann nicht mehr aufrechterhalten werden, weil die dafür erforderlichen Wassermengen fehlen. Auch wenn eine Mindesttiefe von 1,60 Meter für den Containertransport wünschenswert wäre – sie ist an der freifließenden Elbe unrealistisch geworden.

Tiefenerosion schädigt Infrastruktur

Der Glaube, man könne die Buhnen beliebig verlängern und den Fluss damit vertiefen, würde der Schifffahrt kaum helfen. Solche Maßnahmen würden vielmehr das Problem Tiefenerosion im Sandfluss Elbe verschärfen. Diese Tiefenerosion bewirkt schon jetzt nicht nur die Austrocknung der Auen und damit die Gefährdung des UNESCO-Welterbes wie auch des UNESCO-Biosphärenreservates entlang der Elbe, sie ist auch eine reale Gefahr für die Stabilität der Buhnen und Deckwerke.

Diese werden – man kann es an vielen Stellen schon sehen – durch Unterspülung instabil und sie brechen in sich zusammen. Hauptaufgabe muss es deshalb sein, diese Tiefenerosion aufzuhalten. Das hat auch die die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes erkannt. Diese Herausforderung zu meistern, wird ein Hauptbestandteil des Gesamtkonzeptes Elbe werden müssen.

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