Eine nutzbare Wassertiefe von 2,10 Metern schaffen und die Belange von Wasserwirtschaft sowie Naturschutz von Anfang an berücksichtigen. Keine leichte Aufgabe, die den Wasserbauingenieuren in den nächsten 15 Jahren am Mittelrhein bevorsteht. Damit das „wirtschaftlich bedeutendste Rhein-Projekt seit den 70er Jahren“ zur Zufriedenheit aller gelingt, setzt die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung auf frühzeitigen Dialog.
Nach einem handfesten Streit wie in Hamburg sieht es definitiv nicht aus. Denn eine flächige Ausbaggerung zwischen Rheinkilometer 508 und 557 werde es nicht geben. „Letztlich geht es um Wasserspiegelstützung und moderate Sohlanpassungen“, unterstrich Fabian Mertes auf dem ersten Dialogforum zum Thema am 6. September in Bingen. Details über die Platzierungen von Buhnen oder Längswerken stehen noch nicht fest, so der Projektleiter im koordinierenden Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Duisburg. „Das Vorhaben befindet sich in einem sehr frühen Stadium – die Voruntersuchungen laufen.“
Rheinabschnitt schonend ausputzen
Felsenfest steht jedoch, dass es insgesamt sechs lokale Tiefenengstellen gibt. Bei Oestrich und im Kemptener Fahrwasser; am Lorcher Werth, am Bacheracher Werth, am Geisenrücken sowie am Jungferngrund. Sie sind verantwortlich, dass die Fahrrinnentiefe zwischen Mainz und St. Goar bei Gleichwertigem Wasserstand (GIW) nur 1,90 Meter beträgt. Auf allen anderen Rheinabschnitten sind es mindestens 2,10 Meter. Wer von Rotterdam nach Basel oder Richtung Main-Donau-Kanal fahren will, muss den Pegel Kaub im Blick behalten.
Deshalb sollen hochstehende Felsen von Spezialschiffen mit Meißel oder Fräse punktgenau bearbeitet werden, um eine durchgängige Fahrrine von 2,10 Meter zu schaffen. „Diese Verfahren haben wir beim Moselausbau schon erprobt“, so Heinz-Josef Joeris, Leiter der Abteilung Wasserstraßen in der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt. Sprengungen wie im vorletzten Jahrhundert seien nicht nötig.
Hinzu kommen neue Buhnen oder Parallelbauwerke. Die erleichtern auch den Geschiebedurchgang, denn der natürlich wandernde Rheinkiesel ist unterhalb des Flussabschnitts zur Sohlstabilisierung gefragt. Im Vordergrund steht aber die Stützung des Wasserspiegels. „Mit all diesen Maßnahmen kann ein durchschnittliches Binnenschiff bis zu 200 Tonnen mehr Ladung aufnehmen“, erklärte Mertes.
Lothar Kaufmann vom Rheinland-Pfälzischen Wirtschaftsministerium rechnet nach erfolgter Abladeoptimierung mit Kosteneinsparungen von etwa 20 Prozent in der Tankschifffahrt. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist im Bundesverkehrswegeplan mit 30,7 ausgewiesen. Nur die Fahrrinnenanpassung an der südlichen Unterweser hat einen höheren volkswirtschaftlichen Nutzen.
Die Bundesanstalt für Gewässerkunde habe außerdem bestätigt, dass die Stützung des Wasserspiegels den Auen helfe. Ebenso würden die aus dem KLIWAS-Forschungsprogramm gewonnenen Erkenntnisse über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wassermenge des Rheins berücksichtigt, bestätigte Joeris auf Nachfrage von Bonapart. „Damit haben wir dann hinsichtlich Baumaßnahmen eine ganze Weile Ruhe.“
Wettbewerbsfähigkeit der Binnenschifffahrt wird verbessert
Geschätzt belaufen sich die Kosten aller Maßnahmen im Projektgebiet auf 60 Millionen Euro. Renaturierung und Naturschutz mit eingerechnet. „Das hat die Größenordnung einer Moselschleuse“, verglich Kaufmann und betonte gerne, dass die Finanzierung aus Bundesmitteln erfolgen wird.
Die „Abladeoptimierung Mittelrhein“ wird im aktuellen Bundesverkehrswegeplan als vordringlicher Bedarf eingestuft und von den Rhein-Anrainern schon seit der Düsseldorfer Liste unterstützt. Aufgrund der umfangreichen Planungen sollen die Baumaßnahmen aber erst in fünf bis zehn Jahren beginnen. Mit der Verkehrsfreigabe wird um das Jahr 2030 gerechnet – die Schifffahrtstreibenden müssen sich also gedulden.
Dialog angeschoben
Rund 100 Teilnehmer aus Schifffahrt, Tourismus, Verwaltung, Politik und Naturschutzverbänden nahmen an dem Forum teil; die Fachpresse wurde versehentlich nicht explizit zu der Konferenz eingeladen. In der anschließenden Pressekonferenz informierten die Veranstalter jedoch alle Medienvertreter zusammenfassend über den Gesprächsverlauf. Sie zeigten sich überzeugt, die Interessen von Anwohnern, Wirtschaft, Schutzgebieten, Auenbereichen, Weltkulturerbe-Landschaft und Hochwasserschutz unter einen Hut bringen zu können. „Die Eingriffe sind rein aquatisch – das ökologische Risiko beherrschbar“, führte Kaufmann aus. „Außerdem haben wir die Chance, Flachwasserzonen anzulegen, befestigte Uferböschungen zurückzubauen und Altarme wieder anzubinden.“
Der NABU Rheinland-Pfalz begrüßt das Projekt grundsätzlich. „Solange Verkehrsverlagerung und Umweltschutz beide hinreichend profitieren, stehen wir hinter der Abladeoptimierung, die ja nach aktuellem Stand mit einem flächigen Ausbaggern nicht vergleichbar ist“, bestätigte der Vorsitzende Siegfried Schuch gegenüber Bonapart. „Wir haben schon in der Vergangenheit punktuelle Fortschritte gesehen und nehmen der Verwaltung ihren hohen Anspruch ab.“ Einen Konsens der Umweltverbände gebe es jedoch nicht. So betrachte der Landesverband des BUND auch die Felsen unter Wasser als Naturdenkmäler.
Wirtschaftliche Bedeutung
Der Rhein gehört zu den bedeutendsten Wasserstraßen Europas. Den offiziellen Zahlen zufolge befahren rund 50.000 Güterschiffe mit rund 60 Millionen Tonnen Ladung jährlich das Mittelrheintal. Hinzu kommt eine ständig größer werdende Zahl von Flusskreuzfahrtschiffen. Zwar rechnen Prognosen mit einem Anstieg der Gütermenge auf mehr als 75 Millionen Tonnen. Aktuell geht das Transportaufkommen der Binnenschifffahrt jedoch zurück. Dennoch ist die Verlagerung von Güterverkehren auf Binnenschiff und Schiene aufgrund von Klimavorteilen erklärtes Ziel von Landes-, Bundes- und EU-Politik.
Das WSA Duisburg hat eine Projektseite eingerichtet, auf der aktuelle Informationen eingesehen werden können.
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