Zahlenspiele für das „Millionengrab“ Wasserstraßenkreuz Magdeburg

Zahlenspiele für das „Millionengrab“ Wasserstraßenkreuz Magdeburg

Der Bau des Wasserstraßenkreuzes Magdeburg hat sich nicht gerechnet. Das sagte Ernst-Paul Dörfler in einem am 29. Oktober im ZDF ausgestrahlten Fernsehbeitrag sowie in einem Bericht der Volksstimme vom 9. Oktober. Im Binnenschifferforum wird dem Umweltschützer nun falsches Spiel vorgeworfen. Doch wo liegt die Wahrheit?

Stanislaw Lem hat seinen fiktiven Charakter Armour Black einmal sagen lassen: „Fakten existieren nur dort, wo es keine Menschen gibt. Sobald Menschen in Erscheinung treten, gibt es nur noch Interpretationen.“

Spielen doch einfach mal ein bisschen Praktikant bei PLANCO und gehen das Thema von der Zahlenseite an. Der geschaffene Ansatz muss dabei in jedem Fall verfeinert und ausgebaut, die Datenbasis auf sicherere Füße gestellt werden. Material, Quellen und erste Ergebnisse dazu gibt es unten. Ausgang offen.

Die Basisannahmen

Fürs Erste betrachten wir ein Stück Transportweg hinsichtlich externer Kosten und CO2-Ausstoß exemplarisch. Dazu picken wir uns mal die Relation Hafen Braunschweig nach Berlin Westhafen raus und nehmen Dörflers drei Millionen Gütertonnen als Grundlage. Die Richtung ist Wurst, aber da Berlin etwa 2007 3,4 Millionen Tonnen Wareneingang per Binnenschiff zu verzeichnen hatte, aber nur 270.000 Tonnen Warenausfuhr, schauen wir mal in Fahrtrichtung Ost. Dies könnte durchaus eine Relation sein, die der Mindestbeförderungsweite aller über die Trogbrücke beförderten Güter entspricht. Insofern gebrauchen wir sie einfach mal als Minimal-Modell.

Wir gehen ferner davon aus, dass ein Schiff im Durchschnitt 1.000 Tonnen lädt, nehmen vereinfacht an, dass jeder LKW ein 40-Tonner mit 25 Tonnen Zuladung ist und – sofern beladen – mit 64-prozentiger Auslastung fährt. Hinzu kommt ein Leerfahrtenanteil von 10,5 Prozent. Dieser Wert ließe sich laut einer Studie noch verbessern, lag 1991 aber einmal bei 32,2 Prozent im grenzüberschreitenden Fernverkehr.

Für das Schiff gehen wir von maximal 1.500 Tonnen Zuladung und völlig haltlos von dem gleichen Auslastungswert aus. Eine Leerfahrtquote für die Binnenschifffahrt ist für die Ermittlung der Fahrzeugdichte interessant, gemäß LogoS-Wert vom Januar 2013 sei sie einmal mit 30 Prozent angenommen.

Greifbare Kosten

Die externen Kosten sowie den CO2-Ausstoß der Verkehrsträger holen wir aus einem von BUND und VCD gemeinsam herausgegeben Flyer von 2006. Selbstverständlich schneidet dort der Schienengüterverkehr besser ab als das Binnenschiff. Dass sich externe Kosten auf der parallel zum Mittellandkanal verlaufenden A2 anders als bei den beiden „alternativen“ Verkehrsträgern nicht nur in Lärm, Schadstoffbelastung, Flächenverbrauch, Bau- und Unterhaltskosten ausdrücken, zeigen mehrere traurige Beispiele mit Schadenssummen von bis zu 500.000 Euro:

Erste Ergebnisse – Grafik siehe unten

Zurück zu den nüchternen Daten: In die Tabellenkalkulation geben wir zusätzlich aus dem Google-Routenplaner 231 Kilometer für die LKW-Strecke vom Hafen Braunschweig zum Berliner Westhafen ein. Für den Wasserweg dürften das grob überschlagen rund 260 Kilometer sein. Gäbe es das Wasserstraßenkreuz nicht, wären es etwa elf Kilometer mehr.

Und hier kommen wir zu einem ersten Ergebnis: Wuppten wir die drei Millionen Tonnen über die Trogbrücke beförderte Ladung auf die Straße rüber, stiegen die externen Transportkosten um 43,3 Millionen Euro, der CO2-Ausstoß um 47.544 Tonnen pro Jahr. Bei den erhofften 25 Millionen transportierter Tonnen auf der betrachteten Relation sähe das Verhältnis mit 360,8 Millionen Euro und 396.200 Tonnen CO2 noch eindrucksvoller aus.

Von der Nordseeküste?

Aber auch bei lediglich drei Millionen Tonnen auf der West-Ost-Relation zeigt die Verlängerung der Route nach Westen weitere für Volkswirtschaft und Klima interessante Zahlen. Betrachten wir die Strecke etwa ab Emmerich; über den Wasserweg vollkommen grob überschlagen etwa 644 Kilometer. Oder auf der Straße ab dem Grenzübergang der A30 zwischen Bad Bentheim und Enschede, laut Routenplaner etwa 488 Kilometer von Berlin entfernt. Hier käme das Schiff den deutschen Steuerzahler immerhin 85,1 Millionen Euro günstiger, bei eingesparten 90.492 Tonnen CO2. Natürlich könnten wir gleich den ganzen Weg bis zu den ARA-Häfen betrachten, aber der Auslandsanteil interessiert den deutschen Steuerzahler doch nicht.

Potenziale für die kleinste Einheit

Nicht wirklich nachvollziehbar ist seit der Bewerbung des Kombinierten Verkehrs durch BUND und VCD auch Dörflers Argument, „Die für ein Schiff nötigen Mengen sind im Osten Deutschlands nur selten vorhanden“. Klar ist wohl, dass zu niedrige Brückendurchfahrtshöhen oder andere Hindernisse den Containerverkehr in etlichen Kanalgebieten Deutschlands bislang klein halten.

Potenziale für Verkehrsverlagerungen weg von der A2 sind bei genauerer Analyse aber bestimmt auszumachen: Schließlich passierten im Jahr 2012 täglich 14.000 LKWs die Elbbrücke bei Hohenwarthe. Ein Blick in die Daten der Bundesanstalt für Straßenwesen zeigt die Zunahme des Verkehrs in den letzten zehn Jahren. Wenn davon nur 10.000 im Fernverkehr eingesetzt sind, wäre das bei obigem Leerfahrten- beziehungsweise Auslastungsschlüssel ein Ladungsaufkommen von knapp 49 Millionen Tonnen pro Jahr. Das laut Rechnung bereits heute für die Strecke Braunschweig – Berlin jährliche externe Kosten in Höhe von 993,8 Millionen Euro jährlich verursacht.

Nur ein Anfang

Natürlich ist die Rechnung an dieser Stelle nicht abgeschlossen – sie trifft keine Aussagen über die in den externen Kosten enthaltenen Instandhaltungskosten, die durch das Wasserstraßenkreuz auf dieser Relation höher ausfallen könnten als im europaweiten Durchschnitt.

Gleichzeitig lässt sie die Transportkosten sowie den Schienenverkehr völlig außer Acht. Ebenso den Transport von Schwergut, der auf der Straße mit großem Aufwand verbunden ist. Wer die Kalkulation vertiefen will, darf gerne die angehängte Excel-Datei nutzen, von Fehlern befreien, erweitern, verändern oder kritisieren.

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